Wer behauptet, das Theater sei tot, schaue sich zum Beispiel “Dämonen” in der Schaubühne an und staune.
Das Stück des schwedischen Dramatikers Lars Norén handelt von Zwang. Zwang, der angstgetriebene Menschen davon abhält, ihre Vorstellungen von Freiheit und Nähe zu verwirklichen, was zu brutalen Aggressionen gegen sich und ihr Umfeld führt.
Diese Problematik ließe sich auch mit dem Repertoire vergangener Jahrhunderte umsetzen (etwa Onkel Wanja).
Ein zeitgenössisches Stück überzeugt mehr: Dynamik, die sich aus gesellschaftlichen Konflikten ergibt, muss nicht herausgefiltert oder bemüht umgedeutet werden. Es genügt, die finanzielle Lage (wohlhabend – nicht so wohlhabend, beide Paare in einer Mietwohnung lebend) und die personelle Lage (keine Kinder – zwei Kinder) anzudeuten, um der Psychotragikomödie freien Lauf zu lassen.
Die perfekte Bühnenbild- und Videotechnik, die detailbetonte Inszenierung, lassen den Betrachter an einem Schauspiel aus unserer Zeit, für uns, teilhaben, wie es keine klassische Repertoireinszenierung vermöchte.
Das überragende Spiel von Lars Eidinger, dessen Facettenreichtum (letztlich drei ausgeprägte Psychosen über-, durcheinander) von Video-Close-Ups besonders wirksam verstärkt wird und von Brigitte Hobmeier, der es gelingt, Katarinas Teufelskreis aus emotionaler und materieller Abhängigkeit, Hass, Aggression und Schwäche in immer wieder neuen Pirouetten vorzuführen, lässt über gewisse Längen und Instringenzen hinwegsehen.
Mich verwunderte schließlich, dass Schauspieler und Schaubühne dieses brillante Spiel offensichtlich unter das des aktuellen Fußballspiels stellten: Insgesamt acht Hinweise auf das WM-Spiel, einschließlich des Spielstands, zählte ich mit. Hier hätte ich mir bewusste Irreführung gewünscht oder einen anderen Weg, denjenigen im Publikum eine zwanghafte Abhängigkeit vorzuführen, die lieber auf einen Fernseher gestarrt hätten als das packende Geschehen auf der Bühne zu verfolgen.
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