Unter dem Eindruck des Films "The Corporation" (http://www.thecorporation.com/).
In dieser Dokumentation wird anschaulich dargestellt, wie sich virtuelle Monstren bilden konnten, die unser politisches und kulturelles Leben stark beeinflussen.
Vorgeschichte. Das 14th Amendment ist eine wichtige gesetzliche Regelung in den USA. Eingeführt nach dem Bürgerkrieg zum Schutz der afroamerikanischen Bevölkerung, sollte sie gesetzlich benachteiligten Personen die Möglichkeit geben, gegen Ungleichbehandlung vorzugehen.
Diese Regelung wurde aber kaum von Afroamerikanern genutzt, vielmehr verwendet, völlig anderen Personen mehr und mehr Rechte zu verschaffen: Juristischen Personen, die nicht aus Fleisch und Blut sind, aber dennoch Rechte erlangen können wie ein Mensch, der als natürliche Person im juristischen Jargon bezeichnet wird.
Juristische Persone, Avatare der Gesetzestechnik, können zum Beispiel Eigentum erwerben, seien es Autos oder Grundstücke, können klagen und verklagt werden. In den Vereinigten Staaten nennt sich diese Lebensform "Corporation" und der Film behandelt den beispiellosen Machtzuwachs der im Geschäftsleben prominent agierenden, aber nicht greifbaren Personen.
Die Produkte der Corporations sind Gemeinplätze unseres Lebens, sie haben sich tief ins Unterbewusste geschlichen mit ihrer Markenpräsenz (eine ganz wundersame Blüte ist die Disney-Stadt).
In unserm Leben gehen Rechte normalerweise mit Pflichten einher, mögen die mit Rechten besser Ausgestatteten dies derzeit auch immer häufiger und immer offensichtlicher vergessen. Hinsichtlich der Corporations sah das aber etwas anders aus: Man vergaß (oder vermied bewußt), ihnen Verpflichtungen aufzuerlegen, die sich am Gemeinwohl und humanistisch-demokratischen, sozialen oder ethischen Grundsätzen ausgerichtet hätten.
Das führte dazu, dass die einzige Lebensmaxime der Corporations der Profit blieb.
Hier setzt der Film an und betrachtet die Implikationen eines rein profitorientierten Handelns. Die Frage wird gestellt: Wenn wir es mit einer Person zu tun haben, muss diese auch über ein Persönlichkeitsprofil verfügen. Warum nicht einmal vom Schlimmsten ausgehen, und das Persönlichkeitsprofil eines Psychopathen (nach der UNESCO-Definition [***]) dem Profil großer Corporations gegenüberhalten?
Siehe da: In allen Punkten entspricht das Handeln großer Konzerne dem eines Psychopathen. Hierzu angemerkt: Inwiefern das Handeln eines einzelnen Konzerns vollständig dem eines Psychopathen entspricht, wird nicht dargestellt, insofern kann hinterfragt werden, inwiefern dies Konstrukt auf einen bestimmten Konzern aussagekräftig ist.
Dies wäre zu prüfen, wobei die Vorstellung, es auch nur mit einem "halben Psychopathen" zu tun zu haben, beunruhigend genug ist.
Die Kernaussage ist in jedem Fall überzeugend: Firmen, betrachtet als juristische Personen, handeln gleich Psychopathen – zumindest in Teilbereichen. Im Sinne der Profitmaximierung scheren sich nicht darum, ob sie den Zugang zu überlebenswichtigen Ressourcen wie Wasser (selbst Regenwasser!) von Bezahlung abhängig machen, ob sie Kinder arbeiten lassen oder Löhne bezahlen, mit denen trotz 50-Stundenwochen kein Lebensunterhalt bestritten werden kann. Sie betrügen, lügen, fälschen, töten; nachhaltig zerstören sie die Umwelt, die Lebensgrundlagen nachfolgender Generationen.
Was ich hier interessant finde, ist die Treuepflicht im (deutschen) Arbeitsrecht: Diese besteht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wechselseitig. Jetzt frage ich mich: Kann man von einem Psychopathen die Erfüllung einer solchen – gesetzlich manifestierten – moralischen Pflicht erwarten? Hat man als Arbeitnehmer einem Psychopathen, der allein oder im Verbund mit anderen Psychopathen kriminell wird, eine solche Verpflichtung? Hier kann man leicht auf die Grenzen verweisen, die uns das Strafrecht vorgibt: Zu morden braucht man nicht, sicherlich nicht einmal die von der Gerichtsbarkeit gezogenen Grenzen der Sittenwidrigkeit zu überschreiten. Aber ist es aus unserer Sicht sittenwidrig, terroristisch agierende Staaten mit Waffen zu beliefern (wohl nicht)? Waren zu vertreiben, die von Menschen hergestellt werden, die einen Monatslohn von ~50 EUR dafür erhalten, der zum Leben nicht ausreicht (denen [und das ist das wahre Problem] buchstäblich das Leben genommen wird, nämlich ihre Lebenszeit, ohne dass man sie dafür töten müsste)?
Noch interessanter: Wie wäre es, gäbe man juristischen Personen das passive Wahlrecht, könnte ein Konzern also ein politisches Amt ausüben? Wäre der Unterschied um so vieles größer als heute? Weniger ehrlich und transparent?
Wenn The Carlyle Group und Halliburton die beiden letzten Präsidentschaften der USA übernommen hätten – wäre das aufrichtiger, verständlicher gewesen?
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